19. April 2010

Twittermania



oder "What are you doing?"
...

"Kann es sein, dass heute Montag ist?", so twitterte die Weinlounge Hamburg munter drauf los (offensichtlich an einem Montag), um der Welt mitzuteilen, dass eben wieder mal so ein typischer Montag im Gange war. Über den Tiefgang dieser Aussage ließe sich sicherlich diskutieren, aber der Microblogging-Dienst Twitter, bei dem man mit max. 140 Zeichen Antworten auf die Frage "What are you doing?" in die Welt hinausposaunen kann, ist ja schließlich nicht das "Literarische Quartett". Dafür ist die "Timeline", in der die Tweets derer, denen man folgt, sowie die eigenen auftauchen, viel zu schnelllebig.

Dass wir überhaupt diese Mitteilung gezwitschert haben, daran hat uns die Zeitschrift DER FEINSCHMECKER in seiner neuesten Ausgabe Heft 5 Mai 2010 freundlicherweise erinnert. Darin werden wir in dem unter der Kolumne "Kulinarischer Salon" veröffentlichten Artikel "Twittermania" zitiert. Die Printmedien setzen sich also mal wieder mit Social Media ausseinander - wie löblich. Jedoch erneut, um zu wettern und das Ganze für unnötig zu befinden.

Aufhänger diesmal die fortschreitende Entwicklung von Twitter in den USA, wo dieser Dienst zunehmend von Unternehmen zur Verkaufsförderung genutzt wird. Soll heißen, Unternehmen bieten via Tweets an bestimmten Tagen Sonderangebote oder Rabatte an. Und genau das möchte Autorin Deborah Knür nun auch für "Deutschland" überprüfen - basierend auf einer 7-tägigen Beobachtung der Geschehnisse bei Twitter als aktiver Nutzer. Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass Twitter natürlich für jeden sowieso international funktioniert. Ländergrenzen gibt es nicht, alles ist abhängig davon, wem man folgt.

Die Print-Journaille also unterwegs im selbsternannten Auftrag der Genuss geneigten Leserschaft auf den investigativen Pfaden zur Entlarvung eines überflüssigen Internet-Tools? Offensichtlich. Statt der erwarteten Offerten für Schnäppchen, die hier und da durchaus zu lesen waren, erschienen erwartungsgemäß überwiegend "normale" Mitteilungen. Die Enttäuschung über jene mangelnden Sonderangebote und Rabattaktionen stand dann dem Artikel förmlich zwischen die Zeilen geschrieben.

Doch lieber Feinschmecker, auch wenn sich der Microblogging-Dienst Twitter mittlerweile zu einer veritablen Vkf-Maßnahme auf Basis - oder innerhalb - von Social Media gemausert hat, darf man doch seine Grundidee nicht aus den Augen verlieren. Im Fokus steht unumstößlich die Frage "What are you doing?" und nicht "What are you selling?". Keine Frage, dass es hier und da zu Abweichungen von diesem Pfad kommt, doch diese mögen erlaubt sein.

Ein gelungenes Beispiel für die Kombination von Verkaufsaktion (das Probenpaket gibt es zum Aktionspreis) und regem Austausch über die Ergebnisse einer jeden Verkostung ist die unter den deutschsprachigen Wein-Twitterern inzwischen feste Institution der "#twv-Verkostung".

Die Beobachtung und Bewertung des Gesamtkonstrukts Twitter ist also entscheidend, nicht die Interpretation einer Momentaufnahme, aus der man sich schlussendlich nur das herauspickt, was für eine einseitige Darstellung gerade recht ist.

Das Instrument Twitter ist ein eigener Mikrokosmos. Laut Twitter Statistik vom Februar diesen Jahres werden pro Sekunde weltweit durchschnittlich 600 (!) Tweets gesendet - das sind 50 Millionen am Tag! Ein paar Hunderttausend User hat Twitter mittlerweile in Deutschland und der durchschnittliche Nutzer ist über Dreißig Jahre alt. Alles Dinge, die durchaus für eine sehr ernstzunehmende Sache sprechen.

Wenn also das "Experiment Twitter" für einige der Journalisten für Genießer-Hochglanzmagazine dieses Landes, die sich offensichtlich mit Scheuklappen durch und im Internet bewegen, wieder einmal gescheitert ist, so tut uns das leid. Da kann man nur die Hoffnung haben, dass der web2.0-Wecker irgendwann schrillt und wenigstens der Online-Auftritt in puncto Design und Usability überarbeitet und aufgewertete wird. Froh sind wir aber auch über jene Vertreter der Printwelt, die die Verknüpfung ihres Mediums mit Internet und Social Networking inzwischen par excellence hinbekommen haben und in jeder Hinsicht für sich nutzen.

Wir nehmen die Sache ebenfalls weiterhin vollkommen ernst und zwitschern auch weiterhin unsere Erkenntnisse darüber, ob Montag ist oder vielleicht Dienstag oder auch Mittwoch... Wir werden die Belanglosigkeit einiger Mitteilungen genauso hinnehmen, wie die Brisanz anderer. Das ein oder andere kommentieren wir, über etliches lesen wir hinweg. Beim nächsten #twv Verkostungspaket wird wieder zugeschlagen und am Ende freuen wir uns, dass wir ein kleiner Teil des Ganzen sind.

Und "What are YOU doing?"



Ausschnitt des abgebildeten Artikels aus "Der Feinschmecker" | Ausgabe Heft 5 Mai 2010 | Seite 10 | Kulinarischer Salon "Twittermania" von Deborah Knür

3 Kommentare:

Iris hat gesagt…

Guter Post:-) - wußte gar nicht, dass Du auf Twitter bist, jetzt werde ich natürlich gleich folgen um endlich zu wissen, wann Montag, Mittwoch oder Freitag ist - die Orientierung geht mir nämlich im Weinberg viel zu oft verloren - da ist eher gutes oder schlechtes Wetter:-).

Hab für die Weinrallye ja auch wie ein Teufel getwittert - und damit bestimnmt meine mehrheitlich französisch- und englischsprachigen Followers ganz schön genervt...

danke übrigens, für die Teilnahme

Cirsten Kessler hat gesagt…

Danke für die Blumen. Habe auch gleich mal den "Follow" Button gedrückt :-) Ich twitter dann einfach demnächst noch Uhrzeiten, aber dafür brauche ich von Dir tatsächlich Wettertendenzen. Mein Büro hat nämlich kein Fenster ... hahaha.

Teilnahme an der Weinralley war mir ein Vergnügen - versuche jetzt regelmäßig und auch mla in time dabei zu sein!

Michael Gliss hat gesagt…

Congrats, auf den Punkt gebracht! Lieben Gruss aus Köln